Stellungnahme des
Deutschen Schützenbundes (DSM)
und des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften zur "Bluttat von Erfurt"


Fakten, Infos & Argumente

Fakt 1
Robert Steinhäuser (19) erschoß am Freitag, 26.04.2002 in seinem ehemaligen Gymnasium in Erfurt 16 Personen (12 Lehrer, eine Sekretärin, zwei Kinder, einen Polizisten) mit 70 Schuß aus seiner Pistole Glock 17/9mm. Die mitgeführte Pumpgun Typ Mossberg Marina 590 (Kaliber 12/76) mit einem 51 Zentimeter langen Lauf wurde nach Polizeiangaben nicht benutzt. RS beging nach dem Massaker Selbstmord.

Fakt 2
RS war seit 10/2000 Mitglied im Schützenverein Domblick e.V. im Polizei-Sportverein Erfurt. Ein Schützenverein, der nach DSB-Angaben nicht zum DSB gehört - auch nicht zum BHDS.

Zitat „stern“ 08.05.2002:

DIE BLAUÄUGIGEN SCHÜTZEN

Beim Handball, dem Sport seines Bruders, darf er höchstens ins Tor. Weil er auch dort mit dem Ball nicht so recht umzugehen weiß, sich ungelenk und lahm anstellt, findet er schnell einen Stammplatz auf der Ersatzbank. Erst im Oktober 2000 entdeckt Robert einen Sport, der ihm mehr liegt und ihn schon immer faszi-nierthat:Schießen.

Robert Steinhäuser wird Mitglied im Schützenverein Domblick e.V., einer Unterabteilung des Polizeisportverbandes, einer illustren Gesellschaft: Hier ist der Thüringer Innenminister Ehrenmitglied, schießen Staats- und Rechtsanwälte, und ausgerechnet ein Oberkommissar der Bereitschaftspolizei gibt Robert wichtige Tipps zum Umgang mit der Waffe. Er gilt schnell als talentierter Schütze, aber als langweiliger Vereinskamerad. Auf dem Schießstand übt er jeden Monat, auf den Vereinsfesten lässt er sich kaum blicken. »So richtig gekannt hat ihn niemand«, sagt der Vereinsvorsitzende Martin Eilers, »aber er hat gleich ganz ordentlichgeschossen.«

Ein knappes Jahr trainiert der talentierte Neuling mit Vereinswaffen, besteht die schriftliche Waffenprüfung mit links und ist vor allem scharf auf eine eigene Flinte. Wettbewerbe dagegen, der Höhepunkt für jeden Sportschützen, interessieren ihn nicht. Der Vereinsvorsitzende wundert sich nicht darüber, staunt lediglich, dass Robert immer wieder für eine Pumpgun schwärmt, »weil es dafür bei den 17 Erfurter Schützenvereinen gar keine geeignete Disziplin gibt«. Martin Eilers streicht die Action-Waffe sogar noch einmal von einem Antrag, den ihm Robert unterschieben will. »Ich habe ihm gesagt: Das geht nur, wenn du zum Beispiel Polizist wirst. Und das hat er verstanden - dachte ich.«

Fakt 3

Kritik am Erfurter Ordnungsamt: Im noch gültigen Waffenrecht verankerte Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt.

Zitat „FAZ“ 04.05.2002:

Eine Woche nach der Bluttat wird Kritik am Ordnungsamt der Stadt Erfurt laut. Das Amt machte es dem Täter offenbar leicht, Waffen zu erwerben, die er eigentlich nicht besitzen durfte. So kaufte der Todesschütze am 18. Oktober vergangenen Jahres von einem Mitglied der Schützenkameradschaft "Bürgerschützencorps Erfurt" eine Pistole des Typs Glock 17 (9 Millimeter). Der Verkäufer meldete nach Angaben der Erfurter Staatsanwaltschaft den Verkauf innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist der Waffenscheinstelle des Ord-nungsamtes. Dort hätte der Käufer innerhalb von zwei Wochen die Waffe auf seiner Waffenbesitzkarte (WBK) eintragen lassen müssen. Wird dieses unterlassen, so macht sich der Erwerber einer Waffe strafbar. In den meisten Bundesländern unterrichten die Waffenscheinstellen spätestens vier Wochen nach dem Verstreichen des Termins die Kriminalpolizei. In Erfurt aber wurde das Ordnungsamt nach Informationen, die dieser Zeitung vorliegen, auch nach mehr als sechs Monaten nicht tätig. Doch es gibt weitere Indizien für ein Fehlverhalten des Erfurter Ordnungsamtes. So stempelte das Amt dem Todesschützen in seine WBK auch eine Munitionserwerbsberechtigung. Die meisten deutschen Waffenscheinstellen erteilen die Munitionserwerbsberechtigung jedoch erst dann, wenn ein Waffentyp eingetragen wurde, um ein Druckmittel für den Eintrag der genauen Modellbezeichnung und Herstellungsnummer in die WBK zu haben. Auch die Pumpgun hätte der Amokläufer nicht erwerben dürfen. Unter Vorlage einer "Bedürfnisbescheinigung" von seinem Schützenverein Domblick hatte der Todesschütze am 18. Oktober vom Erfurter Ordnungsamt eine grüne WBK erhalten, die ihn zum Kauf einer "Flinte" mit dem Kaliber 12/70 berechtigte. Während andere Waffenscheinstellen die Angabe "Flinte" präzisieren - etwa je nach Bedarf Doppelflinte, Bock-Doppelflinte oder Repetierflinte -, konnte der Täter in einem Erfurter Waffengeschäft eine Pumpgun des Typs Mossberg Marina 590 (Kaliber 12/76) mit einem 51 Zentimeter langen Lauf kaufen, die für das Sportschießen nicht geeignet ist. Das Erfurter Ordnungsamt hätte wissen können, daß der Täter demnach illegal Waffen besaß, für die er keine Erlaubnis hatte. Dazu hätte es die Waffenverkaufsbücher der Erfurter Geschäfte - wie vom Gesetz vorge-schrieben - "regelmäßig" überprüfen müssen. Doch offenkundig hat das Erfurter Ordnungsamt auch in den vergangenen sechs Monaten keinen Einblick in die Waffenhandelsbücher genommen. (ulf.)



Stichwort-Argumentation des BHDS gem. Rücksprachen mit H. Macher & Hochmeister

· R.S. war Mitglied in einem reinen Schießsportverein der Polizei, dessen Vereinsstruktur nicht mit der im BHDS vergleichbar ist;

· Brauchtum steht beim BHDS im Vordergrund, Schießsport im Hintergrund. Fast auschließlich werden, wenn überhaupt Schießsportabteilungen vorhanden, nur Einzellader und kleinkalibrige Waffen (Standard = 4,5 Luft bzw. 6 mm KK) verwendet;

· BHDS-Schützen sind in von christlichen Werten geprägten Bruderschaften, Vereinen oder Gilden unter dem aktiv gelebten Motto „Glaube, Sitte, Heimat“ engagiert und somit charakterlich erheblich gefestigtere Schützen;

· Hauptproblem derartiger Massaker ist der Mensch - nicht das technische Gerät, mit dem die Bluttat ausgeführt wird (Beispiele: Amokfahrer mit Auto; Amoktäter mit Küchenmesser; Pyromane mit Feuerzeug etc.);

· Sachlichkeit ist bei der erforderlichen Analyse des Gewaltpotentials und der augen-scheinlichen Erziehungsdefizite in unserer Gesellschaft erforderlich - bitte keinen populistischen Aktionismus und keine Wahlkampf-Parolen, die im Grunde unsinnige Forderungen plakatieren - genauso könnte ein Gesetz gegen Erdbeben gefordert werden;

· BHDS kann mit geplanten Verschärfungen des neuen Waffengesetzes wie der Altersanhebung beim Waffenerwerb (von 18 auf 21 bzw. 25 Jahre) gut leben, fordert vom Staat und seinen Kontrollorganen aber auch die Überwachung existierender Gesetze (siehe Kritik am Erfurter Ordnungsamt);

· Die vom Bundesinnenminister Otto Schily angekündigte Kontrolle von Satzungen der Schützenvereine geht z.B. weit am Kernpunkt vorbei - ist reiner Wahlkampf.


Weitere Hintergrund-Infos:

Informationsdienst Wissenschaft (idw) 03.05.2002

FORSCHER WARNEN VOR SCHNELLSCHÜSSEN AUF SCHÜTZEN

Anlässlich der Ereignisse in Erfurt wird über eine weitere Verschärfung des geltenden Waffenrechts diskutiert. Schützenvereine geraten dabei zusehends ins Zentrum der Diskussionen. Die dabei ins Feld geführten Argumente entbehren jedoch einer gesicherten Datengrundlage. Vor undifferenzierter und pauschaler Kritik an Schützenvereinen warnt da-her ein Forschungsteam der Universität Dortmund.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Ronald Hitzler befasst sich die Arbeitsgruppe seit rund 20 Monaten mit dem Thema "Schießen im Verein". Im Mittelpunkt stehen ausführliche Interviews mit Männern und Frauen, die Schießsport betreiben. Erkundet wird nicht nur, was die Faszination des Waffengebrauchs ausmacht, sondern auch welche sozialen Kontrollmechanismen dabei wirksam sind - und im Einzelfall auch versagen können. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt wird im Sommer abgeschlossen und im Herbst 2002 dokumentiert.

Die Forscher gehen den sogenannten Relevanzstrukturen von Besitzern legaler Schusswaffen in Deutschland auf die Spur. Relevant sind beispielsweise für Sportschützen keineswegs nur die Ergebnisse ihrer sportlichen Wettbewerbe, sondern etwa auch die Faszination der Waffentechnik, die Ästhetik der Waffen oder andere Motive.

Waffen sind nicht nur Symbole der Gewalt - Arne Niederbacher, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter im Projekt der Dortmunder Soziologen, erklärt: "In einer 'waffenlosen Demokratie' wie der BRD sind Besitz und Umgang mit Schuss-waffen außeralltäglich und begründungsbedürftig. Demgegenüber fungieren Schützenvereine als soziale Räume, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eben gerade der Besitz und der Umgang mit der Waffe veralltäglicht ist. Es entsteht hierbei ein Spannungsverhältnis, das unserer Einschätzung nach nur ausgesprochen fragil und vorläufig dadurch auflösbar ist, dass die Figur des 'Sportschützen' zwischengeschaltet wird, der die Waffe zu einem gesellschaftlich mehr oder weniger anerkannten - nämlich sportlichen - Zweck besitzt.

Hinter dieser durch vielerlei Normalisierungsstrategien institutionell gegossenen Figur des Sportschützen verbergen sich freilich vielfältige Motive und Interessen, die jedoch aufgrund der geltenden Gesetzeslage nicht anerkannt sind, um in den legalen Besitz von Schusswaffen zu gelangen. Dass Waffen weit mehr sind als Symbole der Gewalt und Macht bzw. als Mittel zum Zweck (Sport) dienen; dass mit ihnen Spaß, Entspannung, Konzentration, Ästhetik, Technik und vieles mehr verbunden wird, fällt dabei unter den Tisch. Hinzu kommt ein vielfältiges Angebot an Schieß-Disziplinen, die mittlerweile nicht nur das statische Schießen sondern auch das bewegungsaktive Schießen beinhalten.

Wer hinter all dem nun vermutet, es handle sich hierbei um ein 'absonderliches', 'perverses', 'unnormales' Interesse, erliegt der Annahme, dass Waffen ausschließlich zu sportlichen Zwecken oder zum Töten eingesetzt werden können. Die vielschichtigen Phänomene der 'Faszination Waffe' bleiben dabei jedoch gänzlich ausgeklammert. Ehe man vorschnell das Massaker von Erfurt aus einer allzu vereinfachten Vorstellung des Waffengebrauchs zu 'erklären' versucht, erscheint es uns sinnvoll, genau hier anzuschließen."

Projekttitel:

Schießen im Verein - Eine explorative Untersuchung des legalen Besitzes und Umgangs mit Schusswaffen

Projektleitung:

Prof. Dr. Ronald Hitzler, E.Mail: ronald@hitzler-soziologie.de


Presse-Information des DSB 03.05.2002:

Tiefe Bestürzung bei den deutschen Schützen

Wiesbaden, 25.10.02: Entsetzen herrschte bei den 1,6 Millionen Sportschützen im DSB als die Meldung um die furchtbare Tat eines 19-jährigen Mannes am 26. April 2002 in Erfurt bekannt wurde, der aus persönlichen Rachegefühlen 16 Menschen sinnlos getötet hat. Unser aufrichtiges Mitgefühl und unser Beileid gehen an die Angehörigen der Opfer. In tiefer Trauer stehen wir fassungslos vor den Ereignissen und fühlen mit jenen, die liebe Menschen im engsten Familien- oder Freundeskreis verloren haben.

Diese Mordtat in Erfurt wäre allerdings durch nichts zu verhindern gewesen, schon gar nicht - wie es jetzt vorschnell und populistisch von manchen gefordert wird - durch ein noch schärferes Waffenrecht. Die deutschen Waffengesetze zählen schon in ihrer derzeitigen Form zu den schärfsten der Welt. DSB-Präsident Josef Ambacher und Vizepräsident Jürgen Kohlheim haben zusammen mit dem Deutschen Jagdschutz-Verband und dem Forum Waffenrecht seit mehr als drei Jahren partnerschaftlich mit den politischen Gremien und Instanzen für die Novellierung des Waffenrechtes zusammen gearbeitet und der Entwurf, der aus-gerechnet am Tag des Anschlages den Bundestag passierte, ist für die Mitglieder des Deutschen Schützenbundes akzeptabel. Er enthält erhebliche Verschärfungen für den Erwerb von Waffen; insgesamt können die Schützen mit dem neuen Regelwerk ihren Sport jedoch weiterhin ausüben.

Der Täter, der Mitglied im Schützenverein „Domblick“ e.V. im Polizei-Sportverein Erfurt war, hatte in seiner Waffenbesitzkarte auch eine so genannte Pump-Gun eingetragen. Er erhielt diese Waffe über sein nachgewiesenes Bedürfnis zum Schießen mit einer Flinte im Kaliber 12, wählte dabei aber eine für die Ausübung des Sports völlig ungeeignete Marke. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Schütze nicht die Absicht hatte, gute sportliche Ergebnisse in den Disziplinen des DSB zu erzielen. Der Deutsche Schützenbund wird hier als erste Konsequenz über seine Sportordnung das Benutzen einer derartigen Waffe für seine Disziplinen grundsätzlich verbieten lassen.

Trauer und Entsetzen über das schreckliche Ereignis in der Landeshauptstadt von Thüringen sitzen noch tief, doch werden in den kommenden Tagen und Wochen die Ursachen, wie es zu der Tat kommen konnte, genau zu analysieren und auf allen gesellschaftlichen Ebenen die Konsequenzen zu ziehen sein. Wir dürfen nicht einfach zum Alltag übergehen, doch es darf auch nicht nach dem Motto gehandelt werden: Verbote, Sanktionen, Verschärfungen - wer bietet mehr ? Es darf nun kein Eiltempo geben, bei der Behebung von möglichen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen in den Bereichen der Erziehung, der Gesetzgebung und auch der Medien.

In den kommenden Diskussionen ist bei der Aufarbeitung des Themas „Jugendgewalt“ Sachlichkeit gefordert. Auch die Schützen werden sich dieser Aufgaben stellen und dazu ihren Beitrag leisten.


Interview mit Herrn Rabe vom Westf.Schützenbund (16.05.2002):

Herr Rabe, wie steht der Westfälische Schützenbund zu den Geschehnissen in Erfurt?

Die Mitglieder des WSB stehen wie die gesamte Bevölkerung dem Geschehenen mit Entsetzen, tief empfundener Trauer und Mitgefühl für die Opfer und Betroffenen gegenüber. Die grauenhaften Umstände erschüttern uns alle und machen uns sprachlos.

Tragen denn nicht gerade Verbände wie der Ihrige und Vereine wie Ihre Mitgliedsvereine eine Verantwortung für das Geschehene? Schließlich war der Attentäter ein ausgebildeter Sportschütze.

Ihre Fragestellung ist einerseits sehr undifferenziert und zeigt auf der anderen Seite auch ein gewisses Maß an Unkenntnis.

Als erstes sollte man festhalten, dass der Begriff des "ausgebildeten Sportschützen" eine Wort-hülse ist, die nicht auf irgendeiner Verbands- oder Vereinszugehörigkeit gründet. Es handelt es sich hierbei um eine Verallgemeinerung, welche sich aus der Tatsache ergibt, dass der junge Mann, Mensch, Schüler, Deutsche, Handballspieler und Rechtshänder Robert S. eine Waffenbesitzkarte (WBK) für Sportschützen besessen hat und Mitglied eines Polizeisportvereines war. Der Begriff "Sportschütze" basiert hierbei aber nicht auf einer Definition unseres oder eines anderen Verbandes, sondern ist hier ganz allein ein juristischer Begriff. Was in diesem Zusammenhang "ausgebildet" bedeutet, weiß wohl nur der Reporter, der sich diesen Begriff einfallen ließ.

Einen kausalen Zusammenhang zwischen dem in unserem Verband ausgeübten Sport, den in der Diskussion verwendeten Begriffen und dem Amoklauf eines verwirrten Geistes gibt es nicht. Die Zusammenhänge, die dort hergestellt und dann pauschal auf unseren Verband übertragen werden, könnten genauso von jeder anderen Eigenschaft des Attentäters abgeleitet werden und wären dann genauso falsch.

Pauschal eine Gruppe zu verurteilen, weil ein Einzelner oberflächlich gesehen zu ihr gehört und allen Mitgliedern der Gruppe die gleichen Charaktereigenschaften und Absichten zu unterstellen ist dumm, falsch und gefährlich. Dies würde dann in Vergleichen münden wie: alle Deutschen sind Nazis und alle Moslems Terroristen.

Wie kommt man an Schußwaffen und wird überhaupt geprüft, ob ein Schütze charakterlich geeignet ist?

Hier spielen zwei wichtige Faktoren eine Rolle: Der Verein als unmittelbare Kontrollinstanz und die rechtlichen Vorschriften.

Wird man Mitglied in einem unserer Vereine, so kann man nicht sofort mit Pistolen und Gewehren nach gutdünken loslegen. Es wird durch ausgebildete Aufsichten und Übungsleiter zunächst der allgemeine Umgang mit unserem Sportgerät ausführlich erklärt. Hiermit meine ich nicht das sportliche Training. Vielmehr legen wir von Anfang an Wert darauf, dass unsere Sportler ein verantwortungsbewusstes und distanziert professionelles Verhältnis zu ihrem Sportgerät entwickeln. Dies ist kein einmaliger sondern ein sich immer wiederholender Vorgang und begleitet unsere Schützen permanent während ihrer Laufbahn. Interessant ist gerade in diesem Zusammenhang auch, dass es viele Sportschützen (mich eingeschlossen) gibt, die aus diesem Grunde den Wehrdienst verweigert haben.

Im übrigen legen wir als Verband auch sehr großes Augenmerk auf die Ausbildung, insbesondere bei diesen Aufsichtspersonen und Übungsleitern. Auch wenn es hier keine gesetzlichen Vorschriften gibt, so müssen sie im WSB eine 210-stündige Ausbildung absolvieren, bevor sie sich Jugendleiter oder Übungsleiter nennen können.

Wenn Sie nun eine eigene Pistole oder ein Gewehr erwerben möchten, so müssen Sie nach den jetzt gültigen Vorschriften zunächst mindestens ein halbes Jahr Mitglied in einem Verein sein und während dieser Zeit regelmäßig an den Trainingseinheiten teilnehmen. Danach kann Ihnen der Verein eine entsprechende Befürwortung ausstellen, aus der hervorgeht, welche Waffe sie aus Sicht des Vereines erwerben können. Sollte sich jemand als Möchtegern-Rambo präsentieren, so wird diese Bescheinigung nicht ausgestellt. Die Vereinsvorstände sind sich der Verantwortung, die sie in diesem Verfahren haben, durchaus bewusst. Mit dieser Bescheinigung kann dann bei der zuständigen Ordnungsbehörde eine sogenannte Waffenbesitzkarte für Sportschützen beantragt werden. In diese WBK wird eingetragen, welche Waffe man erwerben darf. Die Entscheidung ob man eine WBK erhält, obliegt ausschließlich der Ordnungsbehörde.

Und wenn ich dann diese WBK habe, kann ich mir im nächsten Geschäft eine Pumpgun kaufen?

Aus Sicht des Westfälischen Schützenbundes kann dieser Umstand nicht eintreten, weil eine pumpgun zum sportlichen Schießen nicht geeignet ist, wir hierfür keine Wettbewerbe anbieten und somit auch aus unseren Reihen keine entsprechenden Bescheinigungen erstellen können. Wie der Amokläufer von Erfurt eine WBK erhalten konnte, die ihm zum Erwerb dieser Waffe berechtigte, ist mir nicht verständlich.

Nun wurde ja in Erfurt nicht diese Pumpgun, sondern eine großkalibrige Sportpistole verwendet, die man auch in Ihren Reihen findet. Löst dies nicht zumindest einen Prozeß des Nachdenkens aus oder anders gefragt, sind Sie nicht auch der Meinung, dass das Waffenrecht erheblich verschärft werden muss, um so etwas in Zukunft zu verhindern?

Gegenwärtig besitze ich einen Ordner mit 213 Meldungen zu den Geschehnissen von Erfurt und zum Waffenrecht. Von objektiver Berichterstattung bis hin zu polemischen Beschimpfungen ist dort fast alles vertreten.

Naturgemäß sucht die öffentliche Meinung nach Ursachen und Schuldigen: Eltern vernachlässigen ihre Kinder, Lehrer sind bequem, die Medien nur an Quoten interessiert und die Hersteller von Computerspielen ohne Rücksicht, wenn es um den Kommerz geht.

Wir Sportschützen sind demgemäß eine schießwütige Gemeinschaft, die Großkalibriges und Munition in rauen Mengen hortet. Unsere Lobby sorgt für freies Schießen von Kindesbeinen an.

Jede dieser Vorverurteilungen ist wohl übertrieben, gleichwohl mag allen ein gewisses Maß an Wahrheit inne wohnen. So wird es unserer Gemeinschaft nicht erspart bleiben, unser Verhältnis zu unserem Sportgerät kritisch zu hinterfragen. Dafür sorgt gegenwärtig auch die Politik, die unter dem Eindruck des Geschehenen das gerade novellierte Waffengesetz verschärfen will. Uns sind nicht alle Punkte, die verändert werden sollen bekannt, zu einigen offen diskutierten Vorschlägen können wir aber schon jetzt Stellung beziehen.

Eine Heraufsetzung der Altersgrenze für den Erwerb und Besitz von Schußwaffen im Bereich der Großkaliber-Kurzwaffen auf 21 Jahre können wir mit tragen. Eine Heraufsetzung im Kleinkaliberbereich würde für uns jedoch das Ende der olympischen Disziplinen bedeuten und kann nicht akzeptiert werden. Die sogenannte Juniorenklasse beginnt mit 18 Jahren. Spätestens in diesem Alter benötigen die Schützen für die von ihnen geschossenen Disziplinen eine eigene Waffe. Diese Gewehre und Pistolen sind, ähnlich wie Rennräder, Bobs oder Rennwagen, auf die speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Sportlers abgestimmt. Es ist völlig ausgeschlossen, dass ein Athlet mit einem Vereinsgewehr Topleistungen erbringt, die zur erfolgreichen Teilnahme an internationalen Wettkämpfen berechtigen.

Die Einführung eines psychologischen Gutachtens halten wir für nicht praktikabel und auch nicht aussagekrätig, da ihre Ergebnisse in der Regel geprägt werden vom Wissensstand und der Grundeinstellung des Untersuchenden.

Die nun diskutierte Wiederanhebung der Altersgrenze für das Schießen mit Luftdruckpistolen und -gewehren von zehn auf zwölf Jahre ist für uns nicht nachvollziehbar. Die Tat von Erfurt hat keinerlei Bezug zu der Schießausbildung Minderjähriger. Des weiteren haben wir schon in der Vergangenheit durch eine qualifizierte Ausbildung unserer Jugendübungsleiter und eine verantwortungsbewußte und sachkundige Arbeit mit Kindern bewiesen, wie eine qualifizierte Betreuung garantiert werden kann. Pilotprojekte und wissenschaftliche Studien beweisen überdies, dass gerade der von uns ausgeübte Sport junge Menschen mental stärkt und nicht etwa gewalttätig werden lässt. Es scheint, dass hier der Schießsport und eine ganze Jugendgeneration zum Sündenbock für ein Problem gestempelt werden sollen, welches nicht sie zu verantworten haben, sondern die eher Resultat einer jahrelangen konzeptlosen Familien- und Jugendpolitik sind.

Gegen den Vorschlag, Munition nur noch in Vereinsheimen zu lagern, sprechen vor allem Si-cherheitsbedenken. Schützenheime liegen in der Regel ausserhalb der Wohnbebauung am Rande einer Ortschaft und wären idealer Angriffspunkt für einen Einbruch. Wenn man berücksichtigt, dass ein durchschnittlicher Schütze schnell auf einen Jahresbedarf von 20.000 Schuß für Training und Wettkampf kommt, würden zu Beginn der Saison dann mehrere 100.000 Schuß in den Vereinsheimen gelagert. Muss der Verein aufgrund geänderter Vorschriften dann auch noch eine Vielzahl von Waffen vorhalten, ergibt dies insgesamt ein großes Sicherheitsrisiko. Lässt man dies ausser acht, stellt sich die Frage, wie man den Zugang zu diesem Lager personell besetzen soll. Entweder stellt der Verein Personen ein, die einen rund-um-die-Uhr Zugang gewährleisten (wahrscheinlich werden diese Hausmeister dann vom Staat finanziert) oder alle Schützen erhalten einen Schlüssel zur Waffenkammer, was den Grundgedanken dieses Vorschlages entgegenstehen würde.

Ist es denn wirklich nötig, Schießen als Sportart zu betreiben?

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Sport ist eher philosophischer Natur. Wahrscheinlich haben wir Menschen uns seit Anbeginn der Zeiten gerne mit anderen gemessen. Und aus den vielfältigen Fähigkeiten und Interessen haben sich dann die vielfältigen Sportarten entwickelt. Ich glaube schon, dass Sport neben seiner medizinischen Komponente durch seine vielfältigen sozialen Aspekte unbedingt nötig ist.

Eigentlich wollte ich wissen, warum nach Ihrer Meinung Schießen überhaupt eine Sportart ist?

Diese Frage habe ich schon häufig gehört und noch nie verstanden. Wahrscheinlich meinen Sie, dass wir nichts mit den ihrer Meinung nach klassischen Sportarten gemein haben. Nun, wenn ich meine frühkindlichen Schneeballschlachten ausser Acht lasse, sammelte ich meine ersten sportlichen Erfahrungen mit meinen Murmeln. Zielsicher und mit geübter Hand konnte ich meine Sammlung schnell vergrößern. Im Fußball konnte ich mich nicht durchsetzen, meine Zielgenauigkeit und die Fähigkeit diesen großen rechteckigen Kasten zu treffen, waren mehr als mangelhaft. Erfolgreicher war ich dann im Handball und Basketball obwohl die Ziele hier kleiner waren. In meiner Freizeit spiele ich auch heute noch gerne Pool-Billard; gar nicht so einfach, diese große Kugeln in die kleinen Taschen zu bekommen.

Zwischendurch eine Runde Dart und man ist entspannt.

Ich hoffe, Sie verstehen mich. Das Verlangen, ein Ziel zu treffen scheint grundlegendes Element vieler Sportarten zu sein und eben auch des sportlichen Schießens. Nur mit dem Unterschied, das wir unsere Gegner nicht mit agressivem Spiel angehen, kein erlaubtes oder gar unerlaubtes Foulspiel kennen und unsere Wettbewerbe nicht von teilweise martialischer Berichterstattung und Kommentierung begleitet werden. Sportschießen, wie wir es betreiben, benötigt einen ausgeglichene Psyche und mentale Stärke. Der einzige "Gegner" in dem Bemühen das Zentrum einer Scheibe zu treffen, sind wir selbst. Agressionen, wie sie in einigen Mannschaftssportarten sogar gefordert werden, sind völlig fehl am Platze. Der Hauptanteil liegt bei uns sicherlich mehr beim gesunden Geist als beim gesunden Körper, vielleicht ist das der Grund, warum ZenMönche das Bogenschießen als Bestandteil ihrer Meditation nutzen.

Ja, Schießen ist eine Sportart, vielleicht sogar mehr, als manch andere zur Show mutierte sportliche Disziplin.

Wie definieren denn Sie sportliches Schießen bzw. wie grenzen Sie sich von dem nach Ihrer Meinung nichtsportlichem Schießen ab?

Unsere Definition von Sportschießen ist zunächst sehr abstrakt. In einem internen Papier definieren wir Sportschießen als Schießen

· nach Regeln

· von einer festen Grundlinie aus (also nicht aus der Bewegung)

· auf feststehende sowie bewegliche Scheiben

· auf feste aber auch unterschiedliche Distanzen

· bei dem das technische Gerät kontrolliert als Sportgerät verwendet wird.

Über allem steht natürlich das Ziel, durch die Ausübung seines Sportes die persönlichen physischen und psychischen Fähigkeiten zu verbessern. Hierbei zählt für uns ausschließlich die sportliche Aktivität des Zielens und Auslösens an sich und nicht etwa die Waffe oder das Ziel.

Diese Definition des Begriffes ist so abstrakt, da sie durch die Regeln der übergeordneten Verbände und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen konkretisiert werden.

Abgrenzen müssen wir uns klar von allen kampf- bzw. verteidigungsbetonten Formen des Schießens, wie sie beispielweise bei der Bundeswehr oder Polizei ausgeübt werden und sich auch in den unscheinbar klingenden paintball-Szenarien wiederfinden.

Wahrscheinlich haben wir in den letzten Jahren einfach versäumt, uns hier klar zu positionieren und Stellung zu beziehen. Viele Dinge wurden von uns als selbstverständlich angesehen und aus diesem Grunde nicht enger gefasst oder genauer definiert. Wir werden uns sehr intensiv mit unserem Selbstverständnis beschäftigen müssen und die Ergebnisse auch nach aussen dokumentieren.

Es ist klar, das unser Sportgerät, ähnlich wie bei den Fechtern und Speerwerfern, seinen Ursprung im Militär hat. Leider haben wir es jedoch bisher nicht geschafft, transparent darzustellen, dass unsere technischen Ausrüstungen von ihrer Bestimmung her bei uns keine Waffen mehr sind, sondern lediglich Sportgeräte darstellen. Hier müssen wir ansetzen und wer weiß, in hundert Jahren wenn sich Waffen (leider muss man wohl davon ausgehen, dass es die dann immer noch geben wird) soweit von unseren Sportgerät entfernt haben, dass man keine Gemeinsamkeiten mehr erkennt, müssen wir uns genau so wenig rechtfertigen, wie es heute die Speerwerfer und Fechter tun.


DSB-Positionspapier zur Neuregelung des Waffenrechts 16.05.2002:

Vorbemerkung:

Der DSB und seine Sportschützen haben mit Trauer und Entsetzen auf das schreckliche Ereignis von Erfurt reagiert. Waren sich anfangs noch die verantwortlichen Politiker einig darin, für diese Tat eines Einzelnen nicht die Schießsportvereine und ihre Schützen verantwortlich machen zu wollen, so ist die Folgediskussion - vor allem in der Presse - über die Verschärfung des Waffenrechts schnell weg von sachlichen Argumenten zu populistischen Forderungen gegangen. Dabei besteht Einigkeit, dass ein solcher Amoklauf kaum zu verhindern ist. Es hat sich auch herausgestellt, dass der Waffenerwerb durch eine mangelhafte Kontrolle des Vereinsvorsitzenden und durch ein Vollzugsdefizit bei der entscheidenden Behörde möglich geworden war. Es bestand schließlich Einigkeit, dass das am selben Tage vom Bun-destag verabschiedete Waffengesetz "ein guter Kompromiss ist, der die innere Sicherheit in Deutschland nach vorne bringt" (Zitat: Dr. Behrens, Innenminister Nordrhein-Westfalen). Der Waffenerwerb wäre nicht nur nach der geltenden Rechtslage zu verhindern gewesen, er wäre es auf jeden nach der vom Bundestag beschlossenen Rechtslage. Grundsätzlich besteht daher für weitere Verschärfungen des ohnehin drastisch verschärften Waffenerwerbs kein rechtliches Erfordernis. Der DSB verwahrt sich dagegen, dass seine Sportschützen nun in der öffentlichen - auch politischen - Diskussion mit dem Täter "in einen Topf geworfen" werden.

1. Heraufsetzung der Altersgrenze für den Erwerb und Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen für Sportschützen von 18 auf 21 Jahre

- Der DSB kann eine Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre mittragen, sofern diese beschränkt wird auf Großkaiber-Kurzwaffen.

- Für den Bereich der Kleinkaliberwaffen lehnt der DSB eine Heraufsetzung der Altersgrenze ab, weil dies zum Erlie-gen des Schießsports führen würde. Die olympischen Disziplinen im Pistolen- und Gewehrbereich werden mit Kleinkaliber-Waffen ausgeführt. Die Juniorenklasse beginnt mit 18 Jahren. Spätestens in diesem Alter benötigen die Schützen für die von ihnen geschossenen Disziplinen eine eigene Waffe. Diese Waffen sind für auf die speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Schützen abgestimmt und eingestellt. Es ist ausgeschlossen, dass ein Leistungsschütze in diesem Alter mit einem allgemeinen Vereinsgewehr Leistungen erbringt, die zur erfolgreichen Teilnahme an Europa- und Weltmeisterschaften sowie an Weltcup-Veranstaltungen berechtigen. Gerade der Altersbereich der 18 bis 21-jährigen ist für den Leistungssport wichtig, da in diesem Bereich bereits Leistungen im Training wie im Wettkampf erbracht werden müssen, die zu einer schießsportlichen Entwicklung in Richtung Weltklasse führen.

Die in Erfurt verwendet Pistole war eine großkalibrige Pistole.

Die Differenzierung des Alters hinsichtlich der Waffen in Kleinkaliber und Großkaliber lässt sich auch deswegen gut vertreten, weil in anderen Gesetzen, die den Umgang mit Geräten mit höherem Gefährdungspotential regeln, diese Unterscheidung getroffen wird. So kann der Sprengstofferlaubnisschein erst mit 21 Jahren erworben werden; auch das Führerscheinrecht trifft die Unterscheidung: 18 Jahre PKW / 21 Jahre LKW.

Kleinkaliberwaffen sind nach den polizeilichen Statistiken nicht deliktsrelevant.

- Eine weitere Heraufsetzung des Alters auf 25 Jahre für großkalibrige Schusswaffen ist nicht sachgerecht. Dies würde dazu führen, dass die Vereine verstärkt großkalibrige Schusswaffen beschaffen müssten, die im Schützenhaus aufbewahrt werden müssen. Dies führt zu den Sicherheitsproblemen, die ebenso für die Aufbewahrung von Munition gelten. Kriminelle Elemente könnten sich einfach gerade die deliktsrelevanten großkalibrigen Waffen mit entsprechender Munition auf leichtem Wege beschaffen.

- Abzulehnen ist die Erfordernis eines sog. "Idiotentests". Es ist nicht nachvollziehbar, dass im allgemeinen rechtstreue und unauffällige junge Staatsbürger, von denen der Staat im übrigen die Leistung des Wehrdienstes erwartet und denen er auch das Wahlrecht eingeräumt hat, ohne jeden Anlass sich einer psychologischen Untersuchung unterziehen sollen. Es ist allgemein bekannt, welche Probleme derartige Untersuchungen mit sich bringen, wie wenig aussagekräftig diese in der Regel sind und wie stark ihre Ergebnisse geprägt sind vom Vorverständnis des Untersuchenden.

- Die Frage der Altersgrenze knüpft offensichtlich an den Reifeprozess Jugendlicher an. Wenn dies als Kriterium für den Umgang mit Waffen relevant sein soll, so muss dies jedoch für alle Jugendlichen gleichen Alters gelten. D.h., auch Soldaten der Bundeswehr, Polizeibeamte, Wachdienste und Jäger gehen eigenverantwortlich mit Waffen um, für die sie die erforderliche Reife besitzen müssen. Eine Beschränkung der Altersgrenze lediglich auf Sportschützen führt letztlich zur Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, ohne dass ausreichende Gründe für die verfolgte Ungleichbehandlung geltend gemacht werden können.

2. Schießausbildung Minderjähriger

Die Tat von Erfurt hat keinerlei Bezug zu der Schießausbildung Minderjähriger, die der Bundestag gerade mit der Herabsetzung der Altersgrenze von 12 auf 10 Jahre für das Schießen mit Luftdruckwaffen beschlossen hat. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass aus der Tat von Erfurt auf einmal Umstände abgeleitet werden sollen, die zu der diskutier-ten Rücknahme dieser Absenkung führen. Der DSB hat in der Vergangenheit ohne jede Beanstandung eine verantwortungsbewusste, sachkundige und allgemein anerkannte Jugendarbeit in seinen Vereinen durchgeführt.

Die hier in Anlehnung an frühere Entwürfe vorgebrachten Verschärfungen werden vom DSB abgelehnt. Insbesondere kann es nicht hingenommen werden, wenn durch Rechtsverordnung die Anforderungen an die vom Sport zu bestimmende Jugendarbeit festgelegt werden soll. Gegen einen derartigen Eingriff in die Autonomie des Sports wendet sich der DSB vor allem deshalb, weil es hierfür keinerlei Veranlassung gibt. Es ist dem DSB zudem nicht bekannt, dass in anderen Sportarten, die zu körperlich und psychisch erheblichen Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen führen können, überhaupt daran gedacht wird, Regelungen vorzusehen. Warum hier der Schießsport und eine ganze Jugendgeneration zum Sündenbock gestempelt werden soll, ist für den DSB nicht nachvollziehbar; Gründe der inneren Sicherheit sind insoweit nicht geltend gemacht!

3. Behördliche Genehmigung von Schießsportordnungen, Definition des Sportschießens

a) - Gegen eine Definition des sportlichen Schießens hat der DSB keine Einwendungen, hat er doch selbst eine entsprechende Definition vorgeschlagen, die vom Bundestag beschlossen worden ist. Im Hinblick auf die schießsportlichen Erfordernisse, die jedoch kaum von der Verwaltung beurteilt werden können, sollte eine solche Definition jedoch in Abstimmung mit dem DSB erarbeitet werden, damit nicht plötzlich olympische Disziplinen nicht mehr als Sportschießen gelten.

- Für den DSB nicht tragbar ist jedoch eine Genehmigungspflicht für Schießsportordnungen. Hierbei handelt es sich um einen einmaligen Eingriff in die sportliche Selbstverwaltung. Es muss dem DSB als Schießsportverband vorbehalten bleiben, allein zu definieren, welche Voraussetzungen (Inhalte und Abläufe) das sportliche Schießen hat. Auch die Einrichtung eines Fachbeirates (mit welchen Kompetenzen ?) kann nichts daran ändern, dasseine Genehmigung der von internationalen Verbänden wie z.B. dem Internationalen Olympischen Komitee vorgegebenen schießsportlichen Voraussetzungen durch eine Behörde ohne jeden schießsportlichen Sachverstand nicht in Betracht kommt.

- Eine derartiger Eingriff in die bisher allseits anerkannte Autonomie des Sports ist zudem aus Rechtsgründen nicht erforderlich: Die zuständige Waffenbehörde hat es nach den geltenden und nach den beschlossenen Regelungen in der Hand, den Erwerb von Waffen auszuschließen, wenn diese ersichtlich nicht vom Begriff des Sportschießens gedeckt sind.

b) - Im Hinblick auf das geplante Verbot von Flinten mit Vorderschaftsrepetierer (sog. Pumpgun) wird der Deutsche Schützenbund in seiner Sportordnung unverzüglich den Gebrauch derartiger Flinten untersagen.


4. Eingrenzung des Erwerbs gefährlicher Gebrauchswaffen durch Sportschützen

- Grundsätzliche Bedenken gegen die Einbeziehung der Repetier-Langwaffen in das sog. Kontingent werden nicht erhoben. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass hierunter auch die im Biathlon - einer Sportart mit zunehmendem Zuschauerinteresse - verwandten Kleinkaliber-Langwaffen fallen.

Der DSB regt daher an, diese Kleinkaliber-Langwaffen aus dem Kontingent herauszunehmen. Kleinkaliber kann definiert werden als Kaliber .22 und kleiner für Munition mit Randfeuerzündung.

- Unverständnis löst die Forderung aus, die vom Bundestag abgelehnte sog. Tauschregelung wieder einzuführen. Auch insoweit ist ein Bezug zu Erfurt nicht erkennbar. Die Tauschregelung führt dazu, dass der Sportschütze für den Fall des Disziplinwechsels seine bisherige Waffe abgeben muss, wenn er mit dieser - zunächst - nicht mehr schießt. Entschließt er sich nach einiger Zeit doch wieder mit der früheren Disziplin fortzufahren, fehlt ihm die Waffe. Dies führt zu einer erheblichen finanziellen Belastung des Sportschützen, ohne für die innere Sicherheit mehr Gewinn zu bringen.


5. Keine private Verwahrung von Munition für großkalibrige Waffen durch Sportschützen

- Gegen diesen Vorschlag sprechen vor allem erhebliche Sicherheitsbedenken. Schützenhäuser liegen vielfach - wegen des Lärmschutzes - außerhalb der Wohnbebauung, sind nicht bewohnt und nur zu bestimmten Zeiten genutzt. Auch wenn die zu schaffenden Räumlichkeiten ausreichend gesichert wären, so könnten kriminelle Elemente in aller Ruhe ein Schützenhaus ausräumen, ohne von der Nachbarschaft wahrgenommen zu werden.

Hierzu muss berücksichtigt werden, dass

1. ein durchschnittlicher Schütze, der nicht nur zum Spaß seinen Sport ausübt, sondern auch an Meisterschaften teilnimmt, zwischen 10.000 und 20.000 Schuss Munition benötigt (z.B. benötigt der Olympiasieger und Weltmeister Schumann etwa 60.000 Schuss im Jahr !). Während der Wettkampfzeit von Frühjahr bis Herbst würden daher mehrere Hunderttausend Schuss Munition in den Schützenhäusern lagern,

2. ein Schütze in der Regel ein Los (eine Charge) Munition kauft, für die er seine Waffe eingeschossen hat und mit der er selbst am besten zurecht kommt. Ein solches Los umfass in der Regel mindestens 10.000 Schuss. Es ist daher nicht möglich, dass ein Schütze heute die Munition A und morgen die Munition B usw. verschießt, weil unter solchen Verhältnissen die erforderlichen Leistungen nicht zu erzielen sind.

Wenn im Hinblick auf die Heraufsetzung der Altersgrenze für großkalibrige Waffen - eventuell sogar auf 25 Jahre - der Verein zudem noch erhebliche Mengen an großkalibrigen Waffen vorhalten muss, so ergibt sich insgesamt eine hervorragende Möglichkeit der Beschaffung von Waffen und Munition durch Einbruch für kriminelle Zwecke. Dies kann nach Auffassung des DSB nicht ernsthaft erwogen werden, weil durch eine solche Regelung die Belange der inneren Sicherheit geradezu ins Gegenteil verkehrt werden.

6. Eine Meldepflicht der Waffenhändler über den Erwerb erlaubnispflichtiger Schusswaffen dürfte sinnvoll sein.

7. Stärkung der staatlichen und verbandlichen Aufsichts- und Einwirkungsmöglichkeiten auf die Vereine

Die Vorstellung, der DSB solle seine Mitgliedsverbände überwachen, scheint dem obrigkeitsstaatlichen Verständnis der Vergangenheit entsprungen zu sein. Die erforderlichen Mechanismen hinsichtlich des anerkannten Schießsportverbandes sind bereits vom Bundestag beschlossen worden. Welche weiteren Erfordernisse von Seiten des Staates für nötig gehalten werden, um offensichtlich eine umfassende Kontrolle eines gesamten Sportbereiches zu erhalten, ist für den DSB nicht vorstellbar. Bereit mit der Regelung der Anerkennung als Schießsportverband greift der Staat in einmaliger Weise in die Autonomie des Sports ein und unterwirft die Verbände bereits jetzt einer weitestgehenden Kontrolle ihrer Tätigkeit. Noch weitergehende Auflagen werden für den DSB die Frage aufwerfen, ob er sich überhaupt noch dem Anerkennungsverfahren als Schießsportverband unterziehen soll.


Ergänzung

Soweit vom Land Sachsen die bereits vom Bundestag nicht beschlossene Forderung, Sportschützen, die sechs Monate nicht mehr im Verein aktiv waren, den Behörden zu melden, weiterverfolgt wird, tritt der DSB dem mit aller Entschiedenheit entgegen. Dies ist von einem normalen Verein nicht zu bewerkstelligen, schafft Unfrieden in den Vereinen (wer ist aktiv ?) und führt zu einem ungerechtfertigten Misstrauen und nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand.

Wiesbaden, 15.5.2002

Jürgen Kohlheim

Vizepräsident Deutscher Schützenbund

[ jk - 16.05.2002 10:31 ]